Die Verbraucherzentrale Niedersachsen hat einen Marktcheck veganer Fleisch- und Wurstalternativen durchgeführt. Dabei wurden 31 Produkte unterschiedlicher Hersteller anhand des sogenannten Nutri-Scores eingeordnet. Auch zwei Wheaty-Produkte waren mit dabei: Unsere Vegane Thuringen und unser Vegan Superhero Burger würden sich im mittleren Bereich des Nutri-Scores befinden. Art und Herangehensweise des Marktchecks der Verbraucherzentrale dürften nach unserer Einschätzung exemplarisch für die zukünftige Beurteilung und Verwendung des Nutri-Scores in der öffentlichen Diskussion sein. Grundsätzlich begrüßen wir, dass es Bemühungen gibt, den Konsumenten weitere Orientierungsmöglichkeiten beim Lebensmitteleinkauf zu bieten. Wir wehren uns aber vehement gegen eine missverständliche Abwertung unbedenklicher, hochwertiger Rohstoffe, wie wir sie verwenden. Zwar liegen unsere Produkte für die Verbraucherschützer noch immer „im grünen Bereich“ – im ausführlichen Bericht zum Check heißt es am Ende:
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass vegane Produkte in Form von Patties, Würsten oder veganen Alternativen zu Steaks eine gesunde Wahlmöglichkeit zu herkömmlichen Fleischprodukten darstellen können. Bei dem vorhandenen, breiten Sortiment empfiehlt es sich durchaus auf den Nutri-Score zu achten, bei A bis maximal C liegen Verbraucher im grünen Bereich. Auch die Faustregel, je kürzer die Zutatenliste, desto besser, gilt hier genauso.
Dass die Wheaty-Produkte bei „C“ eingestuft werden, ist unserer Ansicht nach aber dennoch irreführend: Die Nutri-Score-Kriterien sind nicht ausreichend und dadurch fehlerhaft. Bio-Produkte werden benachteiligt. Zusammen mit großen Teilen der Bio-Branche kritisieren wir daher die geplante flächendeckende Einführung des Bewertungssystems in seiner jetzigen Form.
Nutri-Score versagt bei gesunden Pflanzenölen
Wir haben uns mit den Bewertungskriterien des Nutri-Scores eingehend beschäftigt und haben einige Kritikpunkte. So versagt der Nuri-Score bei gesunden Pflanzenölen: Er stuft alle pflanzlichen Öle und Fette in die Kategorien C oder D ein – selbst gesundes Rapsöl, Sonnenblumenöl, Sojaöl oder Olivenöl. So wird das falsche Signal gesetzt, möglichst wenig davon zu konsumieren, obwohl die Ernährungswissenschaft gesunde Pflanzenöle empfiehlt. Neben Weizeneiweiß bestehen unsere Produkte zu unterschiedlichen Teilen aus pflanzlichem Öl; die getesteten Produkte enthalten ölsäurereiches (High-Oleic) Sonnenblumenöl, in anderen Wheaty-Produkten ist auch Kokosöl verarbeitet. Entsprechend halten wir die Nutri-Score-Kriterien, was die Produktkategorie der klassischen Wurst- und Fleischalternativen angeht, für nicht geeignet. Es wird bei der Bewertung überhaupt nicht darauf geachtet, welchen Ursprungs die verwendeten Fette sind und welche Funktion sie erfüllen. Gerade Kokos- und Sonnenblumenöl eignen sich perfekt für Kurzgebratenes, da aus ihnen auch bei starker Hitze keine gesundheitsschädlichen Transfettsäuren austreten. Kokosöl besteht zwar zu über 80 Prozent aus gesättigten Fettsäuren – doch davon sind relativ viele mittelkettige Fettsäuren, den größten Teil macht dabei Laurinsäure aus, und es wird vermutet, dass diese die Konzentration des „guten“, gefäßschützenden HDL-Cholesterins im Blut erhöht. Man muss hier also differenzieren.
Bei der Verbraucherzentrale Niedersachsen hingegen heißt es einfach nur: „Kokosfett enthält viele gesättigte Fettsäuren. Diese sind aus ernährungsphysiologischer Sicht ungünstig und fließen daher als negative Auswirkung in die Berechnung des Nährwert-Modells ein.“ Gesättigte Fettsäuren generell und unabhängig der Herkunft als ungesund einzustufen, ist zu einfach. Der Körper benötigt alles im richtigen Maß – somit auch gesättigte und ungesättigte Fettsäuren. Für eine gesunde Ernährung sind einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren relevant, da sie lebensnotwendige Bausteine für Körperzellen beinhalten. Aus Nachhaltigkeitsgründen (kürzere Transportwege) bemühen wir uns übrigens aktuell, wo immer es möglich ist, in unseren Produkten Kokosöl durch Sonnenblumenöl zu ersetzen.
Bewertungskriterien spielen den Konzernen in die Hände
Im Check schneiden klassische Fleisch- und Wurstalternativen aus Seitan oder Tofu mittelmäßig bis schlecht ab. Gemüseburger, etwa auf Basis von Linsen oder Grünkohl, hingegen gut. Der niedrige Fettanteil sowie der hohe Anteil von Gemüse sorgen dafür. Aber: Wir produzieren Fleischalternativen – keine Grünkernbratlinge. Danach fragen unsere Kunden. Zu unseren Produkten gehört ein gewisser Anteil an Fett und Energiedichte. Vergleichen sollte man unsere Produkte vielleicht eher mit ihren Äquivalenten aus Tierfleisch. Hier zwei willkürlich herausgegriffene Beispiele: Die Grobe Bratwurst von Alnatura und auch die Delikatess Bratwurst von REWE erhalten beim Nutri-Score ein E, bekommen also die schlechteste Bewertung.
Schaut man sich die tabellarische Übersicht der Produkte im Check an, so fällt außerdem auf, dass ausgerechnet Nestlé (Garden Gourmet) gut abschneidet, nämlich mit A bzw. B. Das ist kein Zufall: Nestlé und Danone haben die Etablierung des Nutri-Scores maßgeblich vorangetrieben und ihre Produkte den Kriterien angepasst. In einem Artikel zum Thema heißt es dazu:
Zum einen spielt das Nutri-Score-System den französischen Lebensmittelgiganten Nestlé und Danone in die Hände, die ihre Produktpalette bereits darauf eingestellt haben. Deshalb verwundert es kaum, dass Nestlé zu den ersten gehört, die Nutri-Score systematisch eingeführt sehen möchten. […] Ein gutes Beispiel hierfür ist die Art und Weise, wie Nutri-Score die ausgewiesenen Zuckerbomben namens „Fruchtzwerge“ schönrechnen. Zufälligerweise wird das Produkt von Danone hergestellt und unter Anwendung des Nutri-Score, sind sie mit einem „B“ ausgestattet, dem zweitbesten Score auf der Ampel. Stattdessen werden Produkte wie Brot oder Kartoffeln als deutlich schlechter eingestuft. Damit ist klar, dass vor allem Lebensmittelproduzenten wie Danone von solch einer verzerrenden Nährwerts-Ampel profitieren.
Durch Food-Design wird der Nutri-Score ganz einfach von diesen Konzernen manipuliert. Füll- und Austauschstoffe, die den Fett- oder Zuckeranteil in einem Produkt senken sollen, künstliche Aromen, Farb- und Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Emulgatoren, Stabilisatoren, usw. – das alles spielt für die Bewertung beim Nutri-Score überhaupt keine Rolle, was absurd ist. Unsere Produkte etwa sind frei von Füllstoffen, frei von künstlichen Aromen – doch das wird vom Nutri-Score nicht etwa belohnt, sondern bestraft.
Wir stellen uns und unseren Kunden die Frage: Wollen wir uns mit Bewertungskriterien nach dem Gusto von Konzernen wie Nestlé oder Danone gemein machen, oder richten wir uns weiterhin nach den strengen und bewährten Kriterien der Bio-Branche? Bis dato sieht es so aus, als würde der Nutri-Score nur von einigen Big Playern aus der konventionellen Lebensmittelproduktion als Marketinginstrument eingesetzt und von Julia Klöckner (CDU) beworben – für die Agrarministerin ist die Einführung des Nutri-Scores „ein wichtiger Baustein unserer Ernährungspolitik in Deutschland“.
Cola gesünder als Apfelsaft?
Der Weg für die flächendeckende Nutzung des Nutri-Score ist frei. Der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung von Ernährungsministerin Julia Klöckner am Freitag zugestimmt. Die Bio-Branche sieht sich durch das Ampelsystem benachteiligt und mahnt erheblichen Nachbesserungsbedarf an.
Dies meldete erst vor wenigen Tagen das Branchenmagazin BioHandel. Kritik kommt vom Bundesverband für Naturkost Naturwaren (BNN). Den Nutri-Score in seiner jetzigen Form hält der Verband für ungeeignet; besonders Bio-Lebensmittel würden durch das System benachteiligt. „Beispielsweise wird ein Bio-Apfelsaft mit einem gelben ,C‘ bewertet und eine Cola light mit einem grünen ,B‘. Dabei ist der Bio-Apfelsaft ernährungsphysiologisch deutlich wertvoller als eine Cola light“, teilte der BNN in einer Stellungnahme mit. Das BNN-Positionspapier „Nutri-Score: Bio-Branche fordert Nachbesserung und ergänzende Maßnahmen“ fordert die Überarbeitung und Anpassung des bestehenden Nutri-Score-Algorithmus. Was etwa Öle und Fette betrifft, so wird der Nutri-Score lediglich auf Grundlage des Gesamtfettgehalts und des Anteils gesättigter Fettsäuren berechnet. Für die Ernährung wichtige und wertvolle einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie beispielsweise mit hohen Gehalten in Lein- und Sonnenblumenöl vorkommen, würden, so die Kritik des BNN, nicht ausreichend berücksichtigt; in den Algorithmus sollten alle Fettsäurespektren einbezogen werden. Außerdem wird kritisiert:
Der Einsatz von Zusatz- und Hilfsstoffen in der Bio-Lebensmittelverarbeitung ist durch die EU-Öko-Verordnung stark eingeschränkt. Konventionellen Herstellern dagegen steht eine Vielzahl an Ersatzstoffen zur Verfügung, die die Reformulierung und damit verbesserte Nutri-Score-Bewertung ihrer Produkte erheblich vereinfacht, da diese Austausch- bzw. Ersatzstoffe in der Regel nicht nährwertrelevant sind und daher nicht vom Nutri-Score erfasst werden (z.B. Zuckeraustauschstoffe). Der Nutri-Score stellt folglich in seiner aktuellen Form eine erhebliche Benachteiligung von Bio-Lebensmitteln dar.
Wir schließen uns der Kritik des BNN an und möchten abwarten, welchen Einfluss die berechtigte Kritik auf die Zukunft des Nutri-Scores haben wird.